BEZIRKSREGIERUNG

DETMOLD

Die für Medizinprodukte zuständigen Obersten Landesbehörden und das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) informieren

 

Sicherheitsrisiken von elektrisch höhenverstellbaren Untersuchungs- und Behandlungsliegen

 

- Hinweise für Betreiber von Bestandsliegen -

Hintergrund

Bei versehentlicher Betätigung der Stelleinrichtungen elektrisch höhenverstellbarer Untersuchungs- und Behandlungsliegen haben sich in Deutschland mehrere Menschen im Hubmechanismus eingeklemmt und sind dabei zu Tode gekommen oder haben schwerwiegende Verletzungen erlitten.

Die überwiegende Zahl der Unfälle waren „Selbsteinklemmungen“ durch versehentliches oder unkontrolliertes Betätigen der Stelleinrichtungen, da entsprechende Sicherheitsvorrichtungen, die das verhindern sollen, nicht ausreichen oder nicht vorhanden sind.

Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) hat dazu im Jahr 2004 folgende Bewertung abgegeben:
 

„Automatisch höhenverstellbare Therapieliegen sind so zu konstruieren, dass

• ein versehentliches Betätigen der Steuerung an solch einem Produkt nicht möglich ist oder

• versehentliches Betätigen der Steuerung an einem solchen Produkt zu keiner Personengefährdung führen kann.“

 

Bereits betriebene elektrisch höhenverstellbare Untersuchungs- und Behandlungsliegen, die diese Anforderungen nicht erfüllen, mussten nach Auffassung des BfArM nachgerüstet werden.

Diese Empfehlung des BfArM wurde 2019 aufgrund der tödlichen Vorkommnisse aktualisiert und ist nun konstruktionsbasiert ausgelegt. Sie lautet wie folgt:

„Energetisch verstellbare Therapieliegen sind derart zu konstruieren, dass Einklemmungen von Personen im Verstellmechanismus mit schwerwiegenden Folgen nicht möglich sind.
Hierbei gewählte Lösungen haben sich nach dem Prinzip der integrierten Sicherheit zu richten und sind damit möglichst zentral im Design des Produktes zu verankern, also auf der Ebene des Hub- und Antriebssystems.“

Verpflichtung der Hersteller

Medizinprodukte dürfen in Deutschland nur in den Verkehr gebracht werden, wenn sie die medizinprodukterechtlichen Vorschriften erfüllen. Hiernach müssen sich die vom Hersteller bei der Auslegung und Konstruktion seiner Produkte gewählten Lösungen nach den Grundsätzen der integrierten Sicherheit richten.

Dabei  sind auch die Anforderungen in Anhang I Nummer 1.2 Steuerungen und Befehlseinrichtungen sowie 1.3 Schutzmaßnahmen gegen mechanische Gefährdungen der Richtlinie 2006/42/EG (Maschinenrichtlinie) zu beachten, da diese spezifischer sind als die Anforderungen in Anhang I Kapitel II EU-Medizinprodukte-Verordnung - MDR (Artikel 1 Absatz 12 MDR). Die Anforderungen gelten auch für Produkte, die bereits nach dem Medizinproduktegesetz in Verkehr gebracht wurden.

Die Hersteller sind darüber hinaus verpflichtet, ein systematisches Verfahren einzurichten und auf dem neuesten Stand zu halten, mit dem Erfahrungen mit Produkten in den der Herstellung nachgelagerten Phasen ausgewertet werden und Vorkehrungen zu treffen, um erforderliche Korrekturen durchzuführen.

Mit dem Bekanntwerden der tödlich verlaufenen Einklemmungen wurden betroffene Hersteller von elektrisch verstellbaren Untersuchungs- und Behandlungsliegen aufgefordert, gegenüber den zuständigen Behörden zu belegen, dass die von ihnen in Verkehr gebrachten elektrisch höhenverstellbare Untersuchungs- und Behandlungsliegen den medizinprodukterechtlichen Anforderungen entsprechen. Gegenüber der in der Vergangenheit als Umsetzungsmaßnahme verwendeten Sperrbox sind inzwischen Lösungen verfügbar, die zentraler im Design der Liegen verankert sind und dem Konzept der integrierten Sicherheit stärker entsprechen.

Hersteller haben die aktualisierte Empfehlung des BfArM zu beachten.

Betroffene Hersteller, deren elektrisch höhenverstellbare Untersuchungs- und Behandlungsliegen nicht den medizinprodukterechtlichen Vorschriften entsprechen, sind gemäß § 14 Medizinprodukte-Sicherheitsplanverordnung verpflichtet, ihre Kunden über die Maßnahmenempfehlung schriftlich zu informieren und aufzufordern, dass bis zu einer Nachrüstung der betroffenen Liegen, diese nur noch eingeschränkt zu betreiben sind, um einen sicheren Betrieb zu gewährleisten.

Verpflichtung der Betreiber

Der Betreiber ist dafür verantwortlich, dass die elektrisch höhenverstellbaren Untersuchungs- und Behandlungsliegen nur nach den Vorschriften des Medizinproduktegesetzes (MPG), hierzu erlassener Rechtsverordnungen, den allgemeinen anerkannten Regeln der Technik sowie den Vorschriften des Arbeitsschutzgesetzes (ArbSchG), hierzu erlassener Rechtsverordnungen, und den Unfallverhütungsvorschriften errichtet, betrieben und angewendet werden. Sie dürfen nicht betrieben werden, wenn sie Mängel aufweisen, durch die Patienten, Beschäftigte oder Dritte gefährdet werden können (s. § 14 Satz 2 MPG). Dies betrifft auch ggf. beschädigte oder funktionslose Schutzeinrichtungen. Ein Verstoß hiergegen ist nach § 40 Absatz 1 Nummer 4 MPG strafbewehrt, auch der Versuch ist strafbar.

Vorgehen zur Risikominimierung

  1. Im Fall von Neubeschaffungen elektrisch höhenverstellbarer Untersuchungs- und Behandlungsliegen ist insbesondere darauf zu achten, dass diese dem Prinzip der integrierten Sicherheit entsprechen und dass die Lösungen zur Verhinderung von Einklemmungen zentral im Design der Produkte verankert sind. Der Betreiber sollte sich die Einhaltung der konstruktiven Sicherheit im Hinblick auf Schutzeinrichtungen vor Einklemmungen im Hubmechanismus vom Hersteller / Vertreiber bestätigen lassen.
     
  2. Sämtliche betriebene elektrisch höhenverstellbare Untersuchungs- und Behandlungsliegen sind auf etwaige Mängel zu überprüfen und bei Feststellung von Mängeln fachgerecht nachzurüsten oder reparieren zu lassen.
    Es ist in jedem Fall sicherzustellen, dass vorhandene Sicherheitseinrichtungen funktionsfähig sind und benutzt werden. In der Vergangenheit bereits entsprechend der BfArM-Empfehlung vom 2.8.2004 mit einer Sperrbox ausgestattete Liegen bedürfen ebenfalls einer Überprüfung und soweit es sich um die einzige technische Sicherheitseinrichtung handelt, einer weiteren Nachrüstung (z.B. Ersatz eines einfachen Fußpedals durch ein Fußpedal mit dreistufigem Bedienelement, Umkehrung der Laufrichtung bei Betätigung durch Fußbedienleisten).

Bis zum Abschluss erforderlicher Nachrüstungs- oder Reparaturmaßnahmen dürfen entsprechende Liegen nur noch eingeschränkt betrieben werden. Es ist unbedingt erforderlich, umgehend folgende geeignete unmittelbar wirksame Maßnahmen zum Schutz von Patienten, Anwendern und Dritten zu treffen, wie z. B. (kumulativ, nicht abschließend):

•         Sicherstellung des ausschließlich beaufsichtigten Aufenthalts von Patienten oder deren Angehörigen.

•         Unterweisung aller Anwender und insbesondere Dritter, wie z.B. Reinigungspersonal, das ggf. allein nach Ende der Öffnungszeiten in mit entsprechenden Liegen ausgestatteten Räumlichkeiten tätig ist, unter Hinweis auf die Zwischenfälle.

•         Anbringen von deutlich sichtbaren Warnaufklebern hinsichtlich der Scher- / Quetschgefahr.

•         Festlegung der Regelungen zum sicheren Betreiben, z.B. durch eine Arbeits-/ Betriebsanweisung.

•         Ausschalten des Geräts bei Nichtgebrauch oder Trennung vom Stromnetz; der Schaltzustand bzw. die Trennung muss zweifelsfrei und schnell erkennbar sein, z.B. beleuchteter Schalter bei bestehender Verbindung.

•         regelmäßige Kontrolle der Einhaltung der Sicherheitsmaßnahmen.

 

und die getroffenen Maßnahmen zu dokumentieren. Es sind in jedem Fall die oben genannten unmittelbar wirksamen Maßnahmen zu beachten.

Die aktuelle Empfehlung des BfArM findet sich unter diesem Link:

https://www.bfarm.de/SharedDocs/Risikoinformationen/Medizinprodukte/DE/therapieliegen_update.html

Behördliche Überwachung

Die zuständigen Behörden werden die Einhaltung dieser Forderungen und die Wirksamkeit der getroffenen Maßnahmen kontrollieren.

Stand: Dezember 2020